Der Tabak als Heilpflanze
Joachim Acker
Eine kleine Einführung sei vorangestellt:
Bereits in der Antike war die medizinische Wirksamkeit bestimmter
Pflanzen und der Rauch der beim Verbrennen derselben erzeugt
wurde bekannt und wurde zur Therapie der verschiedensten Krankheiten
angewendet. Ausgehend vom altägyptischen Papyrus Ebers (1568
v.Chr.aufbewahrt in der Universität Leipzig), über
die Schriften der alten Medizingelehrten: Hippokrates, Dioscurides,
Plinius der Jüngere, Aretaios, Galen, und noch vieler Anderer
mehr, spannt sich ein breiter Bogen der uns die Erkenntnisse
und das Wissen über Heilpflanzen und ihre vielfältigen
Anwendungsmöglichkeiten vermittelt. Ein näheres Eingehen
auf dieses hochinteressante Gebiet würde aber den Rahmen
dieses Artikel weit überschreiten. Wir wollen uns im Folgenden
auf den Tabak und seine Verwendung als Heilpflanze beschränken.
Als am Vormittag des 12. Oktober 1492 Christoph Columbus seinen
Fuß auf den Strand einer kleinen Insel setzte, die Eingeborenen
nannten sie Guanahani, Columbus taufte sie auf den Namen San
Salvador und nahm sie für die spanische Krone in Besitz,
begann für die Menschen in Europa ein neuer Abschnitt ihrer
Geschichte. Für die Eingeborenen in den soeben entdeckten
Ländern aber war dieser erste Schritt eines Europäers
der Anfang vom Ende ihrer Kultur.
Columbus und alle die ihn in späteren
Jahren folgten machten Bekanntschaft mit vielen fremdartigen
Sitten und Gebräuchen, mit Tieren und Pflanzen die sie in
ihrem Leben noch nie gesehen hatten.
Eine dieser Pflanzen war der Tabak. Woher der Name "Tabak"
stammt ist mit letzter Sicherheit noch nicht geklärt. Mit
großer Wahrscheinlichkeit wurde er aber von einem Binsenrohr
das die Eingeborenen "Tabak" nannten und durch das
sie den Rauch der geheimnisvollen Pflanze einatmeten übernommen.
Der spanische Historiker Oviedo y Valdés berichtet
darüber: "Die Indianer, welche jene Hölzer nicht
bekommen konnten (gemeint sind die Yförmigen Rauchrohre
der Kaziken. Anmerkung von J.A.), nahmen den Rauch mittels eines
Binsenrohres; diese >canuelos< (Binsenrohre) nennen die
Indianer >Tabak< und nicht etwa das Gras oder den Schlaf,
wie einige meinten". Anmerkung 1
Möglich ist aber auch dass bei der Namengebung die mexikanische
Provinz Tabasco oder die Antilleninsel Tobago eine tragende Rolle
spielte.
Nach einer Sage aus Pommern hat der Teufel einst den Tabak
erschaffen und ein Bauer sollte den Namen dieser seltsamen Pflanze
erraten die da plötzlich auf dem Felde des Bauern wuchs.
Der Bauer wälzte sich nun in Honig und anschließend
in Federn so dass er wie ein großer Vogel aussah und lief
durch das Feld. Der Teufel sieht dies Treiben und ist darüber
fürchterlich erbost und verscheucht den angeblichen Vogel
mit den Worten: "Geh aus meinem Tabak hinaus"! Und
so erfuhr der Bauer den Namen dieser Pflanze, der Teufel aber
zog beleidigt ab.
Das Erstaunen der Europäer als sie zum ersten Male einen
rauchenden Eingeborenen sahen war sicherlich sehr groß.
Die Neugier und der Entdeckerdrang veranlasste sie dann nähere
Bekanntschaft mit diesem Kraut zu machen, es selber zu probieren.
Offensichtlich fand es unter den Männern große Zustimmung
denn viele nahmen von diesem eigenartigen Gewächs Blätter
mit nach Hause und führten in den Hafenstädten der
staunenden Bevölkerung die neue Sitte des Rauchens vor.
Von dort aus verbreitete sich die Kunde von dieser wundersamen
Pflanze, die schriftlichen Berichten der Heimkehrenden taten
das Ihre noch dazu.
Als Kolumbus 1493 zu seiner zweiten Reise in die neuentdeckten
Länder aufbrach hatte er auf Anweisung des Papstes Alexander
VI. Borgia Missionare und Priester an Bord seiner Schiffe. Einem
davon, dem Eremitenmönch Ramon Pane, ist es zu verdanken
dass die ersten Berichte über rauchende Eingeborene und
über die angeblichen Heilkräfte des gerauchten Krautes
im Jahre 1497 nach Europa kamen.
Pane beobachtete dass die Priester der Eingeborenen, die Kaziken,
kranken Menschen einen Brei aus diesem Rauchkraut verabreichten,
durch das darauffolgende Erbrechen würden Krankheiten aus
dem Körper entfernt.
Der oben genannte Oviedo schreibt in seinem Buch über das
Tabakrauchen: "Ich weiß, dass einige >christianos<
es schon gebrauchen, besonders einige, welche von der Lues betroffen
sind, denn sie sagen sich, daß sie in jenem verzückten
Zustand die Schmerzen ihrer Krankheit nicht fühlen".
Anmerkung 2
Hernando Cortez (1485-1574) der spanischer Konquistador, erwarb
sich den zweifelhaften Ruhm das Reich der Azteken erobert und
zerschlagen zu haben. Auf seinen Eroberungszügen (von 1519-1521)
beobachteten die mitgenommenen Mönche und Priester dass
die Eingeborenen den Tabak als Heilmittel gegen offene Wunden
oder Schwellungen verwendeten. Außerdem wurden sie mit
dem Schnupfen des Tabaks bekannt gemacht, das Niesen linderte
die Beschwerden bei Erkältungen.
Diese Nachrichten über die vielfältigen Möglichkeiten
der Tabakpflanze gelangten im Laufe der Jahre nach Europa und
wurden dort von den Ärzten, die immer auf der Suche nach
einer neuen, wunderwirkenden Arznei waren, begierig aufgenommen.
Es ist etwas schwierig alle diese Berichte und Erzählungen
in ein chronologisches Gerüst zu bringen, zu spärlich
und außerdem schwer zugänglich sind die Quellen darüber.
Fest steht aber dass bereits Mitte des 16. Jahrhunderts Tabaksamen
nach Portugal, Frankreich und Spanien eingeführt wurden.
Die Pflanzen die aus diesen Samen gezüchtet wurden erfreuten
sich wegen ihrer schönen und auch wohlriechenden Blüten
sehr bald einer großen Beliebtheit. Es wurde mit ihnen
experimentiert um die dieser Pflanze zugeschriebenen Heilkräfte
besser kennenzulernen und ausnützen zu können. 1543
wurde der Tabak wegen seiner Heilkraft von einem Professor der
Universität Salamanca empfohlen.
1559 kam Jean Nicot als französischer Gesandter der Katharina
von Medici an den portugiesischen Hof nach Lissabon. Nicot war
eng mit dem Gelehrten und Botaniker Damian de Goes befreundet
und lernte durch ihn die Tabakpflanze kennen und hörte auch
von ihren Heilkräften die sie haben sollte. An einem Diener
der ein Geschwür im Gesicht hatte probierte Nicot schließlich
selber diese heilende Wirkung aus. Als die Wunde dann tatsächlich
innerhalb weniger Tage ausheilte war Nicot von der heilenden
Wirkung des Tabaks überzeugt und berichtete dem französischen
Hof darüber. Katharina von Medici gab ihrem Sohn, dem späteren
König Karl IX. der unter heftiger Migräne litt, etwas
von dem Tabakpulver das ihr Nicot geschickt hatte zum schnupfen
und war von der guten Wirkung sehr angetan. ""Herbe
de la médicée" , "Kraut der Medici"
wurde daraufhin der Tabak eine Zeitlang genannt. Anmerkung
3
Das man diese Pflanze aber auch rauchen konnte war ihm in
seinen Berichten nicht wichtig, ihn Nicot, interessierte nur
die pharmazeutischen Heilkräfte die offensichtlich in der
Pflanze steckten. Es war unbestreitbar der große Verdienst
Jean Nicots dass der Tabak, allerdings ausschließlich als
Arzneipflanze, in Europa bekannt wurde. 1570 wurde dann die Pflanze
ihm zu Ehren von den Brüdern Liebault nicotiana genannt,
ebenso wie das erst viel später in dieser Pflanze enthaltene
Gift Nikotin. Anmerkung 4
In Spanien lehrte an der Universität von Sevilla Nicolò
Monardes, er beschrieb in einer im Jahre 1565 erschienenen Schrift
eine Vielzahl von Krankheiten die mit Hilfe des Tabaks geheilt
werden könnten. Eine Aufzählung aller Gebrechen und
Leiden die man damit angeblich heilen konnte liest sich wie die
Inhaltsübersicht eines medizinischen Ratgebers: Vom Asthma
bis zu den Frauenleiden, von offenen Wunden bis zu dem verschwindenlassen
von Eingeweidewürmern reicht die breite Skala dessen was
diese Pflanze bewirken konnte. Tabak wurde in Pulverform geschnupft,
als ganze Blätter auf Wunden gelegt, als Lauge ausgekocht
und getrunken. Es gab wohl keine Darreichungsform die nicht beachtet
oder praktiziert wurde. Es versteht sich beinahe von selbst das
dieses Werk bald nach ihrem Erscheinen in viele andere Sprachen
übersetzt wurde und in Europa unter den Gelehrten sehr weite
Verbreitung und Beachtung fand. Auf Grund dieser Schrift wurde
dann auch der Tabak als eine Art "Panazee", ein Allheilmittel
gegen Krankheiten jeglicher Art verstanden.
Dieser Anspruch ein Wundermittel zu sein trug natürlich
im wesendlichen mit zur weiteren Verbreitung der Tabakpflanze
bei. Allerdings sind hier zwei getrennt laufende Wege zu unterscheiden:
In den Hafenstädten wurde der Tabak geraucht und fand dort
auch immer mehr Anhänger die diesem neuen Genuss frönten,
im Landesinneren dagegen stand mehr seine heilende Wirkung im
Vordergrund.
Die Heilkraft des Tabaks wurde dann auch immer mehr von verschiedenen
Ärzten in Wort und Bild unter das Volk gebracht. So schrieb
der deutsche Arzt Johannes Vittich: "Es ist kein Zweifel
daß der Tabak alle Unreinheiten säubern und grobe
zeehe Feuchtigkeiten zerteilen kann wie denn solches aus täglicher
Erfahrung abzunehmen ist" Und weiter: "Die wunden an
armen, schenkeln und sonst anderen gliedern der leiber sie sein
so alt als soe wollen heilen sie wenn man sie zuvor mit weißem
Wein oder Menschenharn außweschet danach mit einem reinen
Schwamm oder läplein austrucknet ein oder 2 frische gestoßene
bletter sampt dem Safft darüber schlegt weiße tüchlein
darauff leget und solcher gestalt zur follkommenen Heilung fortfehrt".
Anmerkung 5
Es wäre noch manches zu schreiben über die damaligen
ärztlichen Meinungen über die Heilkräfte des Tabaks
und seine verschiedenen Anwendungen. Wir wollen es aber mit dem
bisher angedeuteten bewenden lassen. Seine wirklich landesweite
und Grenzen überschreitende Verbreitung als Tabak zum Rauchen
fand die Pflanze auf dem europäischen Festland erst im Dreißigjährigen
Krieg 1618-1648, als die Söldnerheere mordend und plündernd
durch Europa zogen.
Es soll aber auch nicht verschwiegen werden dass sich die
Gegner des Tabaks langsam sammelten und gegen diese neue "Geißel
der Menschheit" zu Felde zogen. Im Jahre 1614 wütete
die Pest aufs Neue in London und gab denen die dem Tabakgenuss
frönten neuen Auftrieb. Es soll nämlich beobachtet
worden sein dass Menschen die rauchten von der Pest weniger ereilt
wurden als diejenigen die sich dieses Krautes enthielten. Anscheinend
war man der Meinung dass der Tabak ein ausgezeichnetes Mittel
zur Seuchenprophylaxe und zur Desinfektion sei. "Mäßig
angewendet gibt es in der ganzen Welt kein dem Tabak vergleichbares
Medikament, alles am Tabak ist heilsam". schrieb William
Barkley im Jahre der Pest 1614. Anmerkung 6
1636 begann die Pest in Holland,
genauer gesagt in Nymwegen, die Menschen heimzusuchen und wieder
erwies sich der Tabak als gutes Mittel dagegen. Ein holländischer
Arzt, Isbrand van Diemerbrook, schreibt darüber: "
Sobald mir die Ausdünstungen der Kranken unerträglich
wurden, ließ ich augenblicklich alles liegen und rauchte
Tabak. Der Tabak ist das wirksamste Mittel gegen die Pest, doch
muß das Blatt von guter Beschaffenheit sein". Anmerkung
7
In seinen weiteren Ausführungen bezieht sich der Arzt
noch mehrmals auf die stärkende und seine Gesundheit fördernde
Wirkung des Tabakrauches.
Als im Jahre 1665 die Pest erneut in London ausbrach war Samuel
Pepys ( 1633-1707, ein wohlhabender Bürger Londons und Angehöriger
der Admiralität sowie Unterhausabgeordneter) Zeuge dieser
schrecklichen Seuche. In dem Tagebuch das er führte nimmt
er immer wieder Bezug auf diese schrecklichen Ereignisse. So
schreibt er am 7. Juni 1665 in seinen Aufzeichnungen: "Heute
habe ich, sehr gegen meinen Willen, in Drury Lane zwei oder drei
Häuser mit einem roten Kreuz an der Tür gesehen, und
>Gott erbarme dich unser< stand dazu geschrieben- ein trauriger
Anblick, das erstemal, daß ich sowas gesehen habe. Mir
wurde richtig übel, und ich bildete mir ein, daß ein
sonderbarer Geruch von mir ausgehe; war gezwungen, mir etwas
Tabak zum Riechen und Kauen zu kaufen; danach war mir gleich
besser". Anmerkung 8
Die schreckliche Seuche kam in London erst nach der verheerenden
Feuerkatastrophe 1666 bei der vier Fünftel der Stadt eingeäschert
wurden zum Erliegen.
Die Pest die im 17. Jahrhundert in Europa unzählige Menschenleben
forderte trug in entscheidenden Maße mit dazu bei dass
sich das Rauchen von Tabak immer weiter verbreitete. Die Angst
der Menschen vor einem jähen und schrecklichen Tod ließ
sie zum Tabak greifen wie der sprichwörtlich "Ertrinkende
nach dem Strohhalm". Ob nun tatsächlich der Tabak so
eine krankheitsverhindernde Wirkung hatte kann ich nicht sagen,
statistische Untersuchungen gab es in der damaligen Zeit noch
nicht. Sicherlich mag es auf die Konstitution, auf individuelle
Sauberkeit und Hygiene des Einzelnen angekommen sein ob er der
Pest entkam oder nicht. Sicherlich wird dann einer der fleißig
Tabak konsumierte und von der Pest verschont wurde dies auf den
Tabak zurückführen und ihn fortan nicht missen möchten.
Zwei Jahre später, am 18. August 1667 war Pepys Zeuge
eines besonderen Vorfalls: "Auf dem Rückweg bekam eines
unserer vier Kutschpferde einen Krampf und drohte umzufallen.
Daraufhin blies der Kutscher dem Pferd etwas Tabak in die Nase,
der Gaul nieste und erholte sich sofort". Anmerkung
9
An diesem Beispiel sehen wir dass der Tabak nicht nur in der
Human-sondern auch in der Veterinärmedizin mit Erfolg angewendet
wurde.
Der Tabak findet als Heilmittel auch in unserer Zeit noch
Verwendung und zwar in der Volksheilkunde und in der Homöopathie.
Die Homöopathie ist ein Heilverfahren bei dem den Kranken
die Mittel in stark verdünnter Form eingegeben werden die
bei Gesunden die gleichen Symptome hervorrufen. Daher lauter
der Wahl-oder Leitspruch auch: "Similia similibus curentur"
- "Ähnliches soll mit Ähnlichem geheilt werden".
Begründet wurde die Homöopathie von dem Arzt Samuel
Hahnemann (1755-1843). Es soll allerdings nicht verschwiegen
werden dass manche Ärzte diesem Heilverfahren eher skeptisch
gegenüber stehen. So wird zum Beispiel für Migräne,
Übelkeit und Erbrechen und bei Durchblutungsstörungen
der Glieder eine stark verdünnte Dosis Nicotiana tabacum
verabreicht. Anmerkung 10 und 11
" Nicotiana tabacum mit seinem wichtigsten Inhaltsstoff,
dem Pyridin-Alkaloid Nikotin, wirkt - allopathisch eingesetzt
- vor allem auf das vegetative und das Zentralnervensystem ein.
Dies führt unter anderem dazu, dass sich die Gefäße
verengen, das Herz schnell und hektisch schlägt und der
Darm übermäßig kontrahiert wird. Homöopathische
Verdünnungen des Arzneigrundstoffes werden demzufolge -
entsprechend der Simile-Regel - bevorzugt bei Krampfzuständen
am arteriellen Gefäßsystem, verbunden mit Schwindel
und Übelkeit, bei Zerebralsklerose mit Gefäßspasmen
sowie bei Angina pectoris vasomotorica eingesetzt. Als bevorzugte
allgemeine Wirkrichtungen gelten das Magen-Darm-System und das
arterielle Gefäßsystem". Anmerkung 12
Tabak wird auch in homöopathischer Form zur Rauchentwöhnung
eingesetzt wird, allerdings nicht als Einzeldosis sondern in
Verbindung mit anderen pflanzlichen Mitteln. Anmerkung
12
Als Beispiel für die Anwendung
des Tabaks in der Volksheilkunde soll ein Auszug aus einem Kräuterbuch
dienen das 1932 erschienen ist. Der Einfachheit halber zitiere
ich den ganzen Text in seinem Zusammenhang:
"Anwendung (nicht ohne Arzt!): Die ganze Pflanze riecht
ekelhaft und betäubend, schmeckt bitterlich scharf und beißend,
enthält Eiweißstoff, Ammoinum, Apfel- und Effigsäure,
mehrere Salze, namentlich aber ein ölartiges, flüchtiges,
sehr narkotisches Alkaloid, Nikotin geheißen, und ein kristallinisches,
ätherisches, schafes Öl (Nikothianin oder Tabakkampfer)
und gehört zu den heftigsten narkotisch-scharfen Giften.
Innerlich angewandt reizt der Tabak sehr den Magen- und den
Darmkanal, wirkt als narkotisches Gift auf das Nervensystem und
verursacht gerne Erbrechen, Zittern, Schwindel, Kopfschmerz,
Übelkeit, verengte Pupillen, Schlafsucht, Beschleunigung
und Unregelmäßigkeit des Pulses, vermehrt die Harnabsonderung
und wirkst lähmend, besonders auf das Rückenmark und
auf die irritablen Fasern. Besonders wichtig ist seine Wirkung
auf das resorbierende System und auf die Schleimhäute. Deshalb
wendet man ihn gegen torbide Wassersucht, Keuchhusten, Asthma,
Nervenkrankheiten, Wahnsinn, Epilepsie, Krampf- und Blähkoliken,
hartnäckige Verstopfung, krampfhafte Harnverhaltung an.
Äußerlich wird der Tabak im Aufguß oder in
einer Abkochung bei tetanischen Krämpfen als Klistier angewandt.
Solche Klistiere sind ferner gut bei eingeklemmten Brüchen,
besonders bei Kot- und Krampfeinklemmung, gegen Askariden usw.
Tabakabkochungen und daraus bereitete Salben sind gegen veraltete
Krätze, Flechten, bösartige Geschwüre und Läuse
gut. Ein Absud von Tabak ist sehr geeignet zum Abwaschen von
Pflanzen bei Blattlausbefall, auch zur Reinigung von Tieren bei
Ungezieferbefall ist dies zu empfehlen.
Bei chronischen Kopfschmerzen, fehlendem Geruch und chronischen
Augenentzündungen ist der Tabak als Niesmittel empfehlenswert.
Der Tabakrauch hat inzitierende und krampfstillende Eigenschaften
und ist gut gegen Verstopfung, rheumatische Zahnschmerzen und
Ansteckungen. Tabakrauchklistiere sind sehr wirksam bei Darmkrämpfen,
hartnäckiger Verstopfung aus Torpor und gegen Scheintod.
Die Dosis der Blätter in Abkochung oder Auguß ist
2-8g auf 240g Kolatur, wofon man täglich 2-3 mal 1 Eßlöffel
voll nehmen läßt. Das Pulver wird zu 3-25cg einigemal
täglich gegeben. Den Extrakt gibt man im Tag zu 12-50cg
in einem aromatischen Wasseraufgelöst oder in Pillen. Zu
einem Klistier nimmt man 2-4g auf 240g Wasser, zu Waschungen
15g auf 120-180g Wasser.
Die Tabaktinktur ist zu inneren Gaben eine sehr passende Form.
Zur Herstellung werden 2 Gewichtsteile getrockneter Blätter
mit 12 Teilen Weingeist übergossen, diese 12 Tage stehengelassen,
dann abgegossen, ausgepreßt und filtriert. Davon nimmt
man in den genannten und den folgenden Leiden 1-3 mal des Tages
1-3 Tropfen:
Allgemeines Zittern und Zittern der Hände und Füße,
Keuchhusten mit Reizung zum Erbrechen oder Schlucken, und zwar
nach jedem Anfall 1-2 Tropfen, Engbrüstigkeit mit Spannung
und Stuhlverstopfung, nervöses Erbrechen mit krampfartigen
Anfällen, Cholera mit Krampf, Darmgicht, Kolik mit Blähungen
oder Krämpfen, Sodbrennen, Magenkrampf, hartnäckige
Stuhlverstopfung, Sommersprossen, wobei naben dem inneren Gebrauch
Waschungen vorzunehmen sind, zu denen man 1 Glas Wasser mit 1
Teelöffel voll Tinktur nimmt.
Bei Lungenschwindsucht (TBC) trage man ein angefeuchtetes
Tabakblatt auf der Brust. Gegen Hand- Knie- und Fußgicht
dienen Tabakräucherungen. Sie rufen bald einen örtlichen,
klebrigen Schweiß hervor, bei dessen Ausbruch Geschwulst
und Schmerzen verschwinden.
Beim Gebrauch von Tabak und all seinen Zubereitungen ist große
Vorsicht geboten; sie sollten nur auf ärztliche Verordnung
angewendet werden. In der Homöopathie finden sich ebenfalls
Zubereitungen von Tabak und können diese eher genommen werden"
Anmerkung 13
Ich möchte hier nochmals ausdrücklich darauf
hinweisen dass diese therapeutischen Anwendungen unter Umständen
für den Anwender sehr gefährlich werden können.
Es wird daher dringend abgeraten es einmal bei einer Krankheit
zu probieren.
Am Abschluss unserer Betrachtungen soll noch ein kleiner Blick
in die Medizin der Naturvölker stehen, als Beispiel sollen
die Indianer Nordamerikas dienen. Indianische Medizin ist nicht
nur reine Behandlung eines Kranken sondern Kräuterheilkunde,
Philosophie, Psychoanalyse und Religion in Einem. Nur mit Hilfe
des Großen Geistes und der Geisterwelt und im Einssein
mit den Kräften der Natur ist es möglich Krankheiten
zu lindern, zu heilen und zu bekämpfen, ist es möglich
überhaupt Zugang zu den Krankheiten zu bekommen. Der Arzt
der Indianer war der Medizinmann oder Schamane, er allein vermochte
es die Verbindung zwischen dem Großen Geist und dem Kranken
herzustellen. Ein Medizinmann konnte man nicht so einfach werden,
der Indianer musste dazu berufen werden. Meistens durch ein besonderes
Erlebnis, etwa die beinahe Todeserfahrung eines schweren Unglücks
oder Krankheit, durch Visionen und anderen einschlägigen
Ereignissen. Ein indianisches Wort sagt über den Weg zum
Medizinmann:
"Wenn du jeden Schmerz gespürt und alle Tränen
geweint hast, wenn sie Tropfen für Tropfen auf dein Herz
gefallen sind, dann kommt die Weisheit." Die Verbindung
mit dem Großen Geist und der Geisterwelt geschah durch
das rituelle Rauchen von Tabak, durch Tanz und Trommelklang.
Als Heilmittel wurde der Tabak direkt bei Zeckenbissen, zum
desinfizieren von offenen Wunden, zum lindern von Zahn-und Kopfschmerzen
verwendet. Also im Grunde die gleichen Anwendungsmöglichkeiten
wie in der europäischen Medizin. Der Tabakrauch war und
ist in der Heilkunde der sogenannten Naturvölker eines der
wichtigsten Mittel, fast jede Heilungszeremonie begann mit dem
rituellen Rauchen des Medizinmannes. Durch das Anblasen des Kranken
mit Tabakrauch wurden nicht nur die bösen Geister aus dem
kranken Körper vertrieben, man erhoffte sich auch den Beistand
der guten Mächte und des Großen Geistes.
Anmerkungen und Quellen:
Anmerkung 1: "Geschichte des Rauchens" (GdR) von
Egon Caesar Conte Corti Insel Taschenbuch Seite 33
Anmerkung 2: GdR Seite 34
Anmerkung 3:
Jenachdem welch berühmter Kopf sich für und um den
Tabak verdient gemacht hatte benannte man ihm zu Ehren den Tabak:
"herb de la reine" Kraut der Königin, zur weiteren
Ehre der Katharina von Medici.
"l`herbe du Grand Prieur" zu Ehren des Grand Prieur
Franz von Lothringen, höchster geistlicher Würdenträger
in Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts.
"Herba de Santa Croce" Nuntius Santa Croce brachte
1561 den Tabak nach Rom zum Papst.
"Herba Tornabuona" Nicolo Tornabuona war vin 1560-1565
Gesandter von Florenz in Paris.
Anmerkung 4:
Offensichtlich übernahm der schwedische Systematiker Carl
von Linnè (1707-1778) das Wort "nicotiana" als
er im 18. Jahrhundert seine große Systematik der Pflanzen
und Tierwelt schrieb: Nicotiana tabacum L. lautet die korrekte
Schreibweise des botanischen Namens, wobei ein großes L
immer für Linnè steht.
Anmerkung 5: GdR Seite 102
Anmerkung 6: GdR Seite 86
Anmerkung 7: GdR Seite 98
Anmerkung 8: Samuel Pepys Tagebuch Reclam Verlag Seite 254/255
Nach einer Verordnung der Stadtverwaltung mussten diese Kreuze
mindestens 30 cm groß sein. Häuser mit diesem Kennzeichen
wurden, häufig auch mit Insassen, für 40 Tage verriegelt.
Man hoffte durch diese Quarantänemaßnahme ein weiteres
ausbreiten der Pest zu verhindern.
Anmerkung 9: Pepys Tagebuch Seite 389
Anmerkung 10: http://www.apothekergarten.de/pflanzenheilkunde/homoeopathie.html
Anmerkung 11: http://home.t-online.de/home/Glueckauf-Apotheke/sortimen.htm#
Anmerkung 12: http://www.pflaum.de/nhp.dir/nh/archiv/2000/nhp09/a_nh-ind05.html
Anmerkung 13: Dr. Ferdinand Müller >Das große
Kräuterbuch< Urania Verlag 1932
Zitiert aus: http://www.pseudonym.org/harko/niko/nikomed.htm
Mit freundlicher Genehmigung von Harko.
"Geschichte des Rauchens" von Egon Caesar Conte
Corti Insel Taschenbuch
Franz Feldhaus: "Die Technik der Vorzeit, der geschichtlichen
Zeit und
der Naturvölker" Moos Verlag
Meyers Konversationslexikon in 14 Bänden 1896
Brockhaus Enzyklopädie
Microsoft Encarta Enzyklopädie
Alfred Dunhill "Die edle Kunst des Rauchens" Heyne
Sachbuch 147
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch Ausgabe 256 |