Confrérie des Maîtres
Pipiers de Saint-Claude
Lothar Winands
St. Claude, die Stadt von rauem Charme, ist etwa eine Autostunde
vom Genfer See entfernt und liegt 437 m ü.M.
im Tal von Tacon und Bienne, umgeben von den Bergen des Jura,
die mit dem Crêt de la Neige eine stattliche Höhe
von 1700 m erreichen. St.Claude hat ca. 15000 Einwohner, "Sanclaudiens"
genannt.
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Landschaft um St. Claude |
Blick nach St. Claude |
Die Menschen im Jura sind aus Tradition sehr erfindungsreich.
Die langen kalten und schneereichen Wintermonate liessen den
dort lebenden Menschen wenig Entwicklungsmöglichkeiten in
den klassischen Wirtschaftsbereichen wie Landwirtschaft und Industrie.
Lediglich Viehwirtschaft und die damit verbundene Käseproduktion
hat bis heute einen sehr hohen Stellenwert. Fondue und Raclette
wurden dort kreiert und so bekannte Käsesorten wie der Vacherin
kommen von dort. Im nördlichen Jura entstanden kleine Manufakturen
der Uhrenfertigung und parallel entwickelten sich Edelsteinschleifereien
deren Produkte wiederum in die Uhrenfertigung einflossen.
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Übersichtskarte |
St. Claude |
In Korsika soll ein Mann den Vorzug der Pfeifenfertigung aus
der Wurzelknolle der Erica Arborea entdeckt haben und schon bald
stürzten sich eine Vielzahl von unternehmungslustigen Leuten
aus der kleinen Stadt St. Claude in die Bearbeitung von Tabakpfeifen.
Wie viele Pfeifen dort bis dato hergestellt wurden weiss keiner
so genau aber es müssten sicher zig Millionen sein.
Neben einer Vielzahl von Freehand-Pfeifenbauern sind vor allem
die Marken Butz Chocin, Chacom, Jeantet, Genod, Paul Viou, Ewa,
Chap, Bontemp, Vuillard und Ropp ein Begriff in der Pfeifenraucherwelt.
Um die Jahrhundertwende wurde dort auch die erste Kopierfräse
erfunden. Ein Ungetüm das heute im Museum von St. Claude
zu besichtigen ist. Bevor die Quarzuhren in den 60iger Jahren
den Markt eroberten waren alle mechanischen Uhren mit Quarzen
oder Edelsteinen ausgerüstet.
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Genod-Pfeifen |
Älteste Kopierfräse |
In dieser Zeit entstand auch die Firma Synjeco in Brissago
die die Produkte aus St. Claude in die Schweiz importierte. Seniorchef
Hans Schneider bereist den Jura und St. Claude in dieser Mission
bereits seit mehr als 60 Jahren. Die Diversifikation der Synjeco
Gruppe entstand dort in St. Claude als Daniel Schneider als Pfeifenraucher
auf die Idee kam, neben dem Edelsteinhandel Rauchgeräte
und Tabak zu importieren um den CH-Markt zu bedienen. Trotz hartem
Wettbewerb in solch einem kleinen Ort schlossen sich die Pfeifenhersteller
zu einem "Fachkollegium" zusammen, der >Confrérie
des Maîtres Pipiers de Saint-Claude<.
Das Fertigen von Tabakpfeifen ist das eine, der Vertrieb dieser
Rauchgeräte das andere. So entstand alsbald die Idee die
besten Verkäufer und Händler nach St. Claude einzuladen,
ihnen die Entstehungsstätten zu zeigen und sie in die Bruderschaft
"Confrere Pipier" von St. Claude aufzunehmen. Zu diesem
Anlass wird auch jedes Jahr ein Poster entworfen welches unter
Sammlern sehr begehrt ist. An den Wänden des Museums sind
diese Dokumente präsentiert.
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Jahresposter |
Daniel´s Stammkneipe in St. Claude |
Daniel Schneider wurde diese Ehre vor 2 Jahren zu teil. Zu
der "Chapitre" werden alle Confrères eingeladen
und so reisen jedes Frühjahr Ende Mai aus allen Ländern
die jeweiligen geehrten Repräsentanten der St. Claude Pfeifen
in den französischen Jura.
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Daniel |
Ein neues Mitglied |
Die Gegend ist sehr verkehrsfeindlich. In Nyon am Genfer See
trafen wir uns um die Strecke nach St. Claude per PKW zu fahren.
Schon nach wenigen Kilometern auf der kurvenreichen engen Landstrasse
legte ich die Pfeife weg und bat Daniel anzuhalten weil es mir
sehr übel wurde. Nicht der Tabak in der Pfeife hatte mich
geschafft, aber die Fahrt durch die zerklüftete Landschaft
in Höhen über 1500 MüdM. An einer kleinen französischen
Zollstelle fand ich meinen Pass nicht, aber die schriftliche
Einladung der "Confrerie des Pipier" überzeugte
den Zöllner, das Schriftstück der St. Clauder Bruderschaft
war für ihn wohl wichtiger als jedes andere Reisedokument.
Gegen 17 Uhr fanden sich dann die zu Ehrenden, die gesamten
Maitres Pipier (Pfeifenhersteller), die französische Presse
und die bereits der Bruderschaft angehörigen Mitglieder
in den Räumen des Museums von St. Claude ein. In einem speziell
möblierten Raum, der einem Innenraum einer gotischen Basilika
gleicht, wird die Zeremonie abgehalten. Maitre Jean Paul Berrod
(Butz Chocin) hält die Ansprache nach einem fest vorgegeben
Rahmen. Die Bruderschaft stimmt dann ab, ob die aufgeführten
Aspiranten aller Anwesenden Zustimmung finden. Darauf dürfen
die neuen Mitglieder eintreten und müssen je eine Pfeife
ihrer Sammlung abgeben. Diese wird mit Namen versehen und später
in den Vitrinen des Museums Ihren Stammplatz finden. Die Aspiranten
stellen sich vor und ihre Biographie wird vom Vorsitzenden der
Confrèrie vorgelesen. Maitre Jaques Craen (Genod) übereicht
dann eine neue Pfeife dem jeweiligen Bewerber. Maitre Yves Grenard
(Chacom) erklärt den weiteren Vorgang und der Aspirant bedient
sich an einer Tabatiere, erhält nach Füllen seiner
Pfeife dann einen Holzspan und demonstriert dadurch den Confrères
Pipier dass er sein "Gerät" bedienen kann.
Tabak-Pfeifenablage und Zündkiele für die
Proklamation
Er wird dann kundtun, dass er nie eine Pfeife falsch behandeln
wird oder falsche Bedienung wie das Einrauchen mittels Honig
usw. vermitteln wird. Nachdem die Bewerber dies alle bekundet
haben, tritt Maitre Jean Paul Berrod wieder in den Mittelpunkt
und ehrt die neuen Confreres durch eine Art "Ritterschlag".
Mit einer übergrossen Pfeife wird dem Confrère auf
die linke und rechte Schulter geklopft und die Aufnahme mit einer
handgeschriebenen und gesiegelten Urkunde bestätigt. Weiter
wird den neuen Mitgliedern ein besonderer Kragen umgelegt und
eine Schärpe mit dem Emblem der Bruderschaft umgehängt.
Die Confrères Pipiers tragen diese Schärpen und gelb-schwarzen
Krägen dann voller Stolz auf den nationalen und internationalen
Veranstaltungen der jeweiligen Föderation.
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Anhörung der Biographie |
Anhörung der Biographie |
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Ein neues Mitglied |
Eröffnung der Veranstaltung |
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Füllen der Pfeifen |
Ehrung mit dem Pfeifenschlag auf die Schulter |
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Jacques Craen Vor dem Einlass |
Lothar vor der größten Bent der Welt |
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Vorzeigen der Pfeifenfertigkeit |
Ein Pipero bei der Performance |
Nimmt man als geladener Gast daran teil, dann empfindet man
diese feierliche Zeremonie fast wie einen sakralen Akt. Erst
beim Galadiné am Abend im Hotel wird die Stimmung locker
und die neu aufgenommen Mitglieder tragen in einer persönlichen
Performance zur Auflockerung der festlichen Stimmung bei. Schmettert
der eine eine Wagner - Arie in den Saal, so gibt der andere einen
Schwank aus seiner Pfeifenraucherwelt preis. Als Conferencier
agiert wie ein Showmaster Yves Grenard (Chacom) mit seiner charmanten
Frau Christine, die auch das Sekretariat der Confrérie
leitet.
Ein Confrére, Georges Boulon der neu aufgenommen wurde,
besitzt ein Weingut im Burgund. Klar dass er zu dem Diner am
Abend etliche Magnumflaschen seines edelsten Tropfens beisteuerte
(Chiroubles Rouge 2000 Domaine du Clos Verdy). Nach dem Essen
wurden die Pfeifen wieder gefüllt und unter Beobachtung
der französischen Pfeifenraucher schnitt ich einen Grouse
Moor Plug an. War der Duft des Würfels für die Pipiers
auch sehr fremd, so erfreute das Aroma dann doch die illustre
Runde am Tisch. Yves Grenard meinte, dass dieser britische Tabak
in einer Chacom-Pfeife aus seinem Betrieb sehr gut zur Geltung
kommt. Daniel und ich wohnten in diesem Hotel gleich am Golfplatz
von St. Claude und so hatten wir am frühen Morgen kurze
Wege um das Haupt nieder zu legen.
Den nächsten Tag nutzten wir, um in den Pfeifengeschäften
der Stadt, und davon gibt es reichlich, die Neuigkeiten zu sichten.
Es verstand sich, dass wir auch Synjeco-Einkäufe machten
und mit den "Maitres Pipiers" aller Unternehmen ausgiebige
Gespräche führten. Die Familie Schneider ist in St.
Claude fast so bekannt wie einheimische Geschäftsleute.
Dies führte dazu, dass überall zu einem "Bonjour"
ein Café oder ein Bier gereicht wurde. Wir hatten uns
mit unserem Zeitplan wohlweislich darauf eingestellt um noch
eine weitere Nacht in St. Claude zu verweilen.
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In der Boutique von Jacques Craen |
Jacques Craen, Daniel, Kunden |
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Jacques Craen und Lothar im Straßencafe´ |
Lothar in trauter Runde mit J. Craen und Yves Grenard |
Im Herbst jeden Jahres wird dann in St. Claude mit der gleichen
Zeremonie der französische Pfeifenraucher des Jahres in
die Bruderschaft aufgenommen. Von diesen Mitgliedern wird von
einem ansässigen Pfeifenbauer jeweils eine detailgetreue
Portraitpfeife hergestellt und in den Vitrinen des Museums präsentiert.
Wie in anderen Ländern sind dies meist Persönlichkeiten
aus Politik, Wirtschaft oder Showbusiness.
Das Pfeifenmuseum ist wohl einzigartig. Hier sieht man ausgesprochen
schöne und auch skurrile Modelle die im Laufe der langen
Pfeifentradition dort gefertigt worden sind. Leider ist die Beleuchtung
in den Räumen sehr fotofeindlich und so gelang es mir nicht,
Pfeifen mit Zeitmessern und Kompass-Uhren im Boden aufzunehmen.
Auch fiel mir ein Modell auf, dessen Mundstück ein Ski ist
und der Skischuh den Pfeifenkopf mit der Tabakkammer bildet.
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Museum Edelsteinschleiferei |
Portraitpfeifen Pfeifenraucher des Jahres |
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Vitrine Pfeifenraucher des Jahres |
Skuriles Pfeifenmodell |
Ein grosser Saal ist den Arbeitsgängen der Edelsteinschleiferei
gewidmet. Lebensgrosse mechanisierte Figuren demonstrieren an
Automaten die einzelnen Arbeitsschritte. Edle Geschmeide wie
Kronen, Colliers usw. veranschaulichen die möglichen Fertigprodukte
dieser Manufakturen. Eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt
ist das Chorgestühl der Kathedrale St.Pierre, das im 15.
Jahrhundert entstand.
August 03
1
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