"Die weißen Göttinen"
Meerschaumpfeifen
Willi Albrecht
Nach dem Bruyereholz dürfte
Meerschaum in unserer Zeit das verbreitetste Material zur Pfeifenherstellung
sein.
Die etwas irreführende Bezeichnung dieses Magnesiumsilikats,
auch Sepiolith genannt, stammt von der laventinischen Handelsbezeichnung
"Mertscavon" ab. Österreichische Händler
verdeutschten das unaussprechliche Wort und "Meerschaum"
wurde unverändert in alle europäischen Sprachen aufgenommen.
Den wissenschaftlichen Namen "Sepiolith" erhielt der
Meerschaum Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen deutschen Mineralogen,
der nachwies, dass Meerschaum aus Ablagerungen fossiler Muscheln
etc. entstanden sei (Sepia=Tintenfisch).
Sepiolith, (Meerschaum)
Verwitterungsprodukt aus Magnesit (MgCO3) und Serpentin (Mg6[(OH)8|Si4O10])
Formel: Mg4[(OH)2|Si6O15]·6H2O
Härte: 2,5, Glanz: matt, Strich: weiß, Dichte [g/cm3]:
2,0, Kristallform: rhombisch
Farbe: weiß, gräulichweiß, gelblichweiß,
bläulichgrün, bläulichgrünweiß, rötlichweiß,
grau
Eine andere Variante der Entstehungsgeschichte hingegen kommt
aus der Türkei. Danach sollen Sinkstoffe und Kalkschlamm
des Flußes Sakarija für die Entstehung der Meerschaumvorkommen
in der Nähe der Stadt Eskisehir / Zentralanatolien verantwortlich
sein. In teilweise über hundert Meter tiefen Schächten
wird hier das Material mühsam abgebaut. Neben der verarbeitenden
Industrie findet man auch ein Museum, das sich mit allem rund
um das "Weißes Gold" befasst.
In der Türkei ist es schon seit langem verboten, den
rohen unbearbeiteten Meerschaumblock zu exportieren. Zumindest
die Pfeifenköpfe werden also gleich an Ort und Stelle hergestellt.
Die anfallenden Reste werden gemahlen, mit Kalk und Bindemittel
gemischt um daraus sogenannte Pressmeerschaumpfeifen herzustellen.
Der Pressmeerschaum ist auch unter den Bezeichnungen "Massa-
oder Wiener Meerschaum" bekannt. Das dieses Material nicht
annähernd die Qualitäten des echten Meerschaums erreichen
kann, dürfte klar sein.
Eine weitere Meerschaumart stellt der sogenannte "Amboseli-Meerschaum"
dar, der in Tansania abgebaut wird. Er ist von schlechterer Qualität
als der türkische, hat nicht dessen strahlendes Weiß,
ist schwerer und nicht so aufnahmefähig für das beim
Rauchen entstehende Kondensat. Aus diesem Material fertigen zum
Beispiel Peterson´s ihre vorgefärbten Pfeifen.
Zur Bearbeitung wird das Material
ständig feucht gehalten, wodurch es eine weiche, seifenartige
Konsistenz erhält und beim Behandeln mit verschiedenen Mesern
nicht splittert. Nach der Schnitzarbeit wird der Pfeifenkopf
in kochendes Wachs getaucht.
Durch diese Behandlung wird eine spätere Farbveränderung
gewährleistet, die von hellbeige über gelb-braun bis
zum tiefen dunkelrot gehen kann. Die Mundstücke bestehen
heute aus gefärbtem Acryl oder bei besseren Stücken
aus Kunstbernstein.
Seit dem 17. Jahrhundert werden auf diese Art in der Türkei
Pfeifen aus dem leicht zu bearbeitenden Meerschaum geschnitzt.
Über Ungarn und Österreich kamen die "Weißen
Göttinen" schließlich nach Deutschland, wo sich
in Ruhla und Lemgo eine richtiggehende Industrie entwickelte.
Die bekanntesten Hersteller sind in der Türkei Koncak und
Altinay, wobei Koncak auch seit Anfang der 90er die Pfeifen unter
dem Namen "Andreas Bauer, Wien" vertreibt. Leider litt
unter dem Verkauf des Namensrechtes auch die Qualität, wie
mir Hans-Jürgen berichtete. Mit ein wenig Glück kann
man ab und zu noch alte Pfeifen aus Österreich in dem ein
oder anderen Laden finden. Die Preise liegen etwa bei 150,- bis
200,- Euro.
Eine Meerschaum braucht nicht eingeraucht zu werden und kann
gleich beim ersten Mal randvoll gefüllt werden. Auch die
sich bildende Kohleschicht ist hier eher unerwünscht weil
die Pfeife dann das entstehende Kondensat nicht mehr so gut aufnehmen
kann. Wischt man den abgekühlten Kopf nach jedem Rauchen
mit einem Papiertuch aus, wird dieses Problem jedoch nie auftauchen.
Eine bereits bestehende Kohleschicht lässt sich vorsichtig
mit feinem Schmirgelpapier entfernen.
Während des Rauchens sollte man die Pfeife möglichst
nur am Mundstück anfassen, damit keine Handschweißpartikel
eine ungleichmässige Färbung hervorrufen. Zur Pflege
der Oberfläche reicht leichtes Abreiben mit einem weichen
Stofflappen.
Durch den neutralen Geschmack des Meerschaums eignet sich
eine solche Pfeife gut zur Beurteilung eines Tabaks, kein Holz,
keine Kohle verfälscht den Geschmack.
Zur näheren Erläuterung kann hier ein Auschnitt
aus einer älteren Ausgabe von Meyer´s Lexikon heruntergeladen
werden.
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