Die Pfeife des Soldaten
von Joachim Acker
Es war ein stilles friedliches flaches Land, kleine Dörfer an
schmalen Wasserläufen, schmucke mit roten Ziegeln gedeckte Häuser
in denen ein arbeitsamer Menschenschlag wohnte, lichte Wälder
und grüne Wiesen auf denen gefleckte Kühe grasten.
Doch dann kam 1914 der Krieg nach Flandern und vorbei war es mit dem
Frieden, der Ruhe und der Stille des Landes.
Unvorstellbare Mengen an Granaten zerpflügten die Erde, verwandelten
die Dörfer zuerst in Ruinen und dann in vom Ziegelstaub rotgefärbte
Hügel. Die Wälder und Wiesen nur noch zerschossene Trümmerlandschaften,
zerborstene Baumstümpfe reckten ihre Reste anklagend zum Himmel,
die Felder und Wiesen ein Gewirr von Granattrichtern die sich mit modrigem
Wasser füllten. Das war Flandern in jenen Tagen.
Und mitten drin in dieser unvorstellbaren Hölle aus Stahl und
Eisen die Soldaten die in einen Krieg und in eine Schlacht ziehen mussten
weil die Herrscher es ihnen befohlen hatten.
Um die Ehre des Vaterlandes zu retten wurde ihnen gesagt und sie glaubten
den Worten ihrer Oberen. Und so zogen die jungen Burschen los, herab
von den Bergen Schottlands, von den kargen Böden des walisischen
Hochlandes, von den grünen Hügeln Englands. Aus Deutschland
kamen siegesgewiss die Hessen und Brandenburger, Württemberger
und Sachsen, die Bayern und die Badener.
Sie alle ahnten noch nichts von den fürchterlichen Schlachten
die auf der Erde Flanderns geschlagen wurden.
Wie Schafe die zur Opferstätte geführt wurden marschierten
die Soldaten in die Schlacht die sie zu Zehntausenden verschlang. Auf
den Feldern vor Messines, Paschendaele, Boesinghe, Langemarck und am
Kemmelberg ging ihr Leben zu Ende, wurden Träume zu Nichte, Hoffnungen
zerstört.
Noch Heute, so viele Jahre nach dem > la Grande Guerre< dem >Großen
Krieg<, ist die Erde in Flandern immer noch von Eisenteilen der
Granaten durchsetzt, und oftmals pflügen die Bauern beim bestellen
ihrer Felder menschliche Knochen aus der Erde, stumme Zeugen des großen
Wahnsinns.
Ein belgisches Archäologenteam grub 2003 am Yser-Kanal bei Boesinghe
die sterblichen Überreste mehrerer Soldaten –8 britische, 6 deutsche
und 4 französische- aus.
An persönlichen Habseligkeiten der Gefallenen wurden nur sehr
wenige Gegenstände gefunden, darunter auch vier Tabakpfeifen die
nicht eindeutig einem bestimmten Gefallenen zugeordnet werden können.
Eine davon sehen wir in Bild 1.

Das auffallende an dieser Pfeife sind die zwei Füßchen
am Boden der Pfeife die ihr eine stehende Ablage ermöglichen.
Solche Füßchen kennen wir von den frühen Tonpfeifen
her, diese Pfeife ist aber offensichtlich aus Holz gefertigt und stellt
mit Sicherheit eine Seltenheit dar.
Es wäre interessant zu wissen ob diese Tabakpfeife aus einem
Stück gefertigt ist oder ob die Füßchen nachträglich
angebracht wurden. Die im Bild anscheinend gleichmäßig aussehende
Wandstärke der Pfeife mag auf ein vordrehen der Form auf einer
Drehbank hindeuten, vielleicht wurde dann der Boden mit der Ablage
von Hand mit einem Schnitzmesser herausgearbeitet.
Trotz intensiver Suche im Internet und in der einschlägigen Literatur
konnte ich kein weiteres Belegstück für solch eine Pfeifenform
finden.
Vom Mundstück ist leider nicht viel zu erkennen, aber dass die
Pfeife geraucht wurde ist an der schwarzen Verfärbung des Brennraumes
deutlich zu erkennen. Offensichtlich ist die Pfeife gut gepflegt und
behandelt worden denn im Innenraum ist keine Kohleschicht erkennbar.
Wem mag sie wohl gehört haben, wem war sie ein treuer Begleiter
in diesen schweren Tagen? Wir wissen es nicht, können nur Vermutungen
anstellen.
Ein Schild von einer Uniform der bei den Überresten von einem
Soldat gefunden wurde lässt sich dem 1st Battalion Somerset Light
Infantry zuordnen:
>The 1st Battalion of this regiment fought on the Canal site
on 6 July 1915. Thirty-five men were killed in action that day, of
who ten were reported mssing. Which means that the found soldier
must be one of them. Besides, the place where he was found was where
at the time the first British line was, from where the attack started.<
Vielleicht stammt sogar die Pfeife von diesem Somerset Mann, aber
wie ich schon sagte: Wir wissen es nicht mit Sicherheit.
Das Betrachten des Bildes mit der Tabakpfeife hat mich doch ziemlich
nachdenklich gemacht. Ich stopfe meine Pfeife mit meinem erklärten
Lieblingstabak, zünde sie an und schaue den Rauchwölkchen
nach die sich zur Stubendecke hinauf kräuseln.
Das blieb also übrig von einem hoffnungsvollen Leben: Eine handvoll
vermoderter Knochen und eine Tabakpfeife, fern der Heimat in fremder
Erde liegend.
John McCrae schrieb eines der bekanntesten Gedichte aus jener Zeit:
In Flanders Fields
In Flanders fields the poppies blow
Between the crosses, row on row,
That mark our place; and in the sky
The larks, still bravely singing, fly
Scarce heard amid the guns below.
We are the Dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.
Take up our quarrel with the foe:
To you from failing hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.
Quelle:
In Flanders Fields: http://www.greatwar.nl/poppies/mccrae.html
Tabakpfeife und Zitat: http://www.wo1.be/diggers/N/Ezine/2003/langemark30102003.htm

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